Wolfskolumne

Meine Kommentare zu Aussagen und Behauptungen über Wölfe

Behauptung: Wölfe, die wiederholt geschützte Schafe angegriffen haben, haben sich auf Schafe spezialisiert?

Falsch! Diese Wölfe haben lediglich gelernt den bestehenden Schutz zu umgehen.

Die Spezialisierung auf eine bestimmte Wildtierart bedeutet, dass diese Nahrungsquelle fast ausschließlich oder zumindest überwiegend genutzt wird. Wildtiere, auch Wölfe, nutzten die Nahrungsquellen am häufigsten die am leichtesten zu erreichen sind und entsprechend häufig vorkommen. Die am häufigsten genutzte Nahrungsquelle der Wölfe in Deutschland sind Rehe, gefolgt vom Rotwild und Wildschwein. Im Vergleich dazu werden Schafe nur selten genutzt. Trotzdem ist natürlich jedes vom Wolf gerissene Schafe ein Ärgernis, Verlust und Belastung für den Schäfer.

Wenn ein Wolf, oder ein Wolfsrudel, gelegentlich Schafe erwischt, ist das kein Anzeichen für eine Spezialisierung. Das wäre erst der Fall, wenn die Nahrungsquelle Schaf öfter genutzt wird als Rehe oder andere Wildtierarten. Das wäre aber auch ein klares Anzeichen für einen völlig unzureichenden Schutz der Schafe. Eine  Herdenschutzmaßnahme die von den Wölfen überlistet wird, kann auch ein Hinweis für die Raffinesse, Intelligenz oder Risikobereitschaft der Wölfe gewertet werden. Die Frage ist dann, wieder wie wir Menschen mit cleveren Wildtieren umgehen.

Behauptung: Deutschland ist nicht für Wölfe geeignet als Lebensraum!

Antwort: Falsch! Wenn dem so wäre, würden sich Wölfe nicht eigenständig in Deutschland ausbreiten können. Es gibt auch keine wissenschaftlichen Studien oder Erfahrungswerte die eine solche Behauptung untermauern würden. Deutschland ist ein Lebensraum mit unterschiedlichen Strukturen. Solche die den Wölfen zusagen werden, andere die für Wölfe schwieriger sind. Aus fachlicher Sicht bietet Deutschland großflächig viele ausreichend gute Lebensräume und Grundlagen für Wolfsrudel. In den Köpfen vieler Menschen ist der Lebensraum für Wölfe allerdings nicht ausreichend vorhanden. Selbstverständlich gibt es verschiedene Konflikte für beide Seiten.

Behauptung: Wölfe sind scheue Wildtiere!

Antwort: Ja und Nein! Es kommt drauf an was man darunter versteht.

Wenn man damit meint, dass Wölfe eine große Fluchtdistanz haben und fliehen sobald sie Menschen sehen oder wahrnehmen stimme ich dem so nicht zu. Das halte ich für zu pauschal. Wenn man darunter versteht, dass Wölfe weder zahm noch zutraulich sind, sondern vorsichtig und zurückhaltend mitunter ängstlich sind, stimme ich dem zu. Die tatsächliche Fluchtdistanz oder Reaktion auf Begegnungen mit Menschen ist von vielen Faktoren abhängig. Typische Fluchttiere wie Rehe sind Wölfe nicht. Ich stelle mir dabei die Frage, ob es überhaupt relevant ist ob man Wölfe nun als scheue Wildtiere bezeichnet. Viel wichtiger erscheint mir wie sich Wölfe uns Menschen und wir Menschen uns den Wölfen gegenüber verhalten. Wölfe sollten in jedem Fall nicht zutraulich sein oder werden.

Zahlenspiel: Wölfe und Schafe in Sachsen!

In Sachsen gab es 2015 knapp 69300 Schafe laut Statistik. 2016 wurden ungefähr 250 Schafe und Ziegen von Wölfen in Sachsen getötet, verletzt oder sind verschwunden sind. Also etwa 0,35% Verlust im Schafbestand von Sachsen durch Wölfe. Etwa 1/3 von Sachsen kann man derzeit als Wolfsregion bezeichnen. Bei gleichmäßiger Schafverteilung wären es etwa 23100 Schafe in den Wolfsregionen. Dann wäre es ein Verlust von etwa 1,1% des Schafbestands durch Wölfe. Die meisten Schäfer haben scheinbar nur den empfohlenen Minimalschutz umgesetzt.

Optimierungsbedarf in der Umsetzung der Schutzmaßnahmen besteht durchaus.Leider konnte ich keine Statistik über anderen Mortalitätsfaktoren bei der Schafhaltung finden.

Übrigens wurden 2015 etwa 18400 Schafe geschlachtet, also über 26,5% des Schafbestands. Umgerechnet werden in jedem Wolfsrevier mit 250km² laut Jagdstatistik über 1000-1300 Rehe geschossen (und natürlich noch viele andere potentielle Beutetiere der Wölfe).

Behauptung: Wölfe verteidigen ihr Revier und können deswegen auch Menschen angreifen, wenn man ein Wolfsrevier betritt.

Antwort: Falsch! Wölfe verteidigen ihr Revier gegen andere Artgenossen. Menschen gehören nicht dazu. In Gebieten mit einer Wolfspopulation leben im Prinzip alle Menschen auch im Wolfsrevier, sobald man das Haus verlässt. Das stört die Wölfe nicht weiter, wohl aber einige Leute. Wölfe teilen den gemeinsamen Lebensraum, trotz der Gefahr durch Menschen.

Behauptung: Wölfe müssen bejagt werden, damit sie nicht in die Siedlungen kommen und seltener Nutztiere angreifen!

Antwort: Falsch! Viele Wildtiere die bejagt werden findet man auch in Dörfern und Städten. In meinen Forschungsgebieten wurden Wölfe legal und illegal bejagt. Trotzdem konnte ich alle von mir erforschten Wolfsrudel auch in den Siedlungsbereichen finden. Einige Wölfe oft, andere nur selten. Hauptgrund waren nutzbare Nahrungsquellen. Trotz des Jagddrucks und der Herdenschutzmaßnahmen haben die Wölfe auch versucht Nutztiere, insbesondere Schafe und Ziegen zu erbeuten, zusätzlich zu den Wildtieren. Die Erfolgsquote beim Zugriff auf Nutztiere war immer direkt von der Qualität der angewandten Herdenschutzmaßnahmen abhängig.

Behauptung: Wölfe sind scheu und meiden Menschen und Siedlungen!

Antwort: Falsch! Wie andere Wildtiere auch, können Wölfe die Siedlungsbereiche durchstreifen. Zwei Hauptgründe: a) Nahrung im Siedlungsbereich b) Abkürzung um schneller auf die andere Seite zu gelangen. Alle Wölfe in Deutschland sind Menschen gewöhnt. Wölfe sind vorsichtig, zurückhaltend und nicht zutraulich, aber neugierig. Die Neugier kann ebenfalls ein Grund dafür sein, am ehesten bei Jungen Wölfen.

Behauptung von Bauernverbände: Mit Wölfen ist eine Weidetierhaltung nicht mehr möglich.

Antwort: Sehr polemisch und falsch! In allen europäischen Regionen mit etablierter Wolfpopulation wird schon immer eine Weidetierhaltung praktiziert. Aber nicht konfliktfrei und die Systeme der Weidetierhaltung sind insgesamt angepasst. In neuen und zukünftigen Wolfsgebieten müssen die Systeme der Weidetierhaltung angepasst werden, damit der Schutz der Weidetiere effizienter arbeiten kann. Ebenso müssen die innerbetrieblichen Abläufe überprüft und angepasst werden.

Richtig: Weidetierhaltung in Wolfsregionen ist schwieriger, teurer der zu betreibende Aufwand ist größer als ohne Wölfe und eine absolute Sicherheit der Weidetiere ist mit den heutigen Schutzmaßnahmen nicht realistisch.

Presse: Badischer Bauern- und Schäferverband fordert ein wolfsfreies Baden-Württemberg!

Antwort: Unrealistisch! Fordern kann man viel. Eine solche Forderung ist im Klartext eine Aufforderung zu einem Dauerausrottungskrieg gegen eine Wildtierart. Rechtlich sind solche Forderungen nicht umsetzbar. In unserer heutigen Gesellschaft wohl auch kaum realisierbar. Hoffe ich wenigstens. Das Paradoxe an der Forderung ist, dass auch diese Verbände genau wissen, dass die Wölfe auf jeden Fall über kurz oder lang Baden-Württemberg besiedeln werden und die Tierhalter sich mit dem Wolf arrangieren werden müssen. Egal ob es gefällt oder nicht. Ich persönlich glaube sogar, dass eine solche Extremforderungen zu einem erheblichen Imageschaden führen wird. Insbesondere für die Schäfer.

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